„Die Farbe hat viele Gesichter“, schreibt Josef Albers in Interaction of Color. Diesen Gedanken greift Yoana Tuzharova in ihrer Arbeit auf und erweitert ihn um das Licht als eine essenzielle, immaterielle Komponente, die Farbe nicht nur sichtbar macht, sondern selbst zur Farbe wird. Licht ist in ihrer künstlerischen Praxis nicht bloß ein Werkzeug zur Darstellung von Grauabstufungen zwischen hell und dunkel, sondern ein eigenständiges Medium, das – ebenso wie Pigmente – aus drei Primärfarben zusammengesetzt ist. Doch während Pigmentfarben die Welt durch subtraktive Mischung gestalten, eröffnet sich in Verbindung mit additive Lichtmischung eine neue Dimension der Malerei, die das Sehen und Fühlen in einem fließenden Prozess erweitern.
In ihren Arbeiten geht es darum, diese Wechselwirkung zwischen spektralem Licht und Pigmentfarbe zu erforschen – die Übergänge zwischen dem Sichtbaren und dem Immateriellen, zwischen physischer Substanz und optischer Illusion. Licht zerlegt sie in seine Bestandteile und lässt es auf Pigmente treffen, deren Oberflächenstruktur das Verhalten von Licht in der Wahrnehmung entscheidend beeinflusst. Diese Wechselwirkungen enthüllen, wie sich Farbe nicht als isoliertes Phänomen zeigt, sondern erst im Zusammenspiel von Licht, Materie und dem Auge des Betrachters zur Erfahrung wird.
Ihre Arbeitsweise vereint traditionelle malerische Techniken mit zeitgenössischen digitalen und analogen Lichtverfahren. Durch die Kombination von additiver und subtraktiver Farbmischung entwickelt sie eine neue Form der Malerei, in der das Licht selbst als zusätzlicher Farbstoff fungiert. Die Künstlerin spielt bewusst mit den Übergängen zwischen Malerei und Rauminstallation, um einen Dialog zwischen Farbe und Licht zu schaffen, der die Grenzen der Wahrnehmung herausfordert und neue ästhetische Dimensionen eröffnet.
Yoana Tuzharova, geboren 1986 in Russe, Bulgarien, lebt und arbeitet derzeit in Köln. Sie absolvierte 2005 die Nationale Schule der Künste in Russe und schloss 2009 ihren Bachelorabschluss in Bildender Kunst, Fach Monumentale Kunst und Wandmalerei an der Fakultät für bildende Künste, Veliko Tarnovo, Bulgarien ab. Ein weiteres Studium setzte sie von 2012 bis 2018 an der Kunstakdemie Münster in der Klasse für Kunst im öffentlichen Raum fort. Dort war sie Meisterschülerin bei Profs. Maik und Dirk Löbbert, wo sie 2017 ihr Diplom der Freien Kunst erlangte. Tuzharova hat zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen erhalten, darunter den GWK-Kunstpreis 2022 und den Förderpreis Junge Positionen NRW 2021.
Ihre Werke wurden in Einzelausstellungen wie „FOLDING VOID“ in der Galerie Gilla Lörcher, Berlin (2024), „retro spektiv“, Gustav Lübcke Museum (2022-23), „light matter“ im Kunstmuseum Celle (2022) und „Metamorphosen.Topologie des Kapitals“ im Kunstmuseum Temporär, Mülheim an der Ruhr (2021) präsentiert. Sie wurde auch in Gruppenausstellungen vertreten, darunter „FARBE BILD RAUM“ in der Stiftung Insel Hombroich, Neuss (2023-24), Ich und 私, Goethe-Institut Villa Kamogawa, Kyoto, Japan (2023), Art start, Galerie & Kunststiftung Credo Bonum, Sofia, Bulgarien (2022).
Ihr künstlerisches Interesse liegt an der Schnittstelle von Technologie und traditionellen Kunstformen wie Malerei und Skulptur. Durch die Fusion klassische und elektronische Medien und Verfahren untersucht sie Transformationsprozesse um Fragen zu Medium, Raum und Zeit zu erforschen. Beispielsweise entwickelt sie durch die Kombination von additiver und subtraktiver Farbmischung eine neue Form der Malerei, in der das Licht selbst als zusätzlicher Farbstoff fungiert. Tuzharova zielt darauf ab, die Diskrepanz zwischen komplementären Gegensätzen wie Technologie und Tradition zu überwinden. Sie entwickelt ein erweitertes Verständnis klassischer Medien im Kontext des digitalen Zeitalters. Ihre Arbeiten schaffen dabei immersive Erfahrungen, die die Wahrnehmung des Betrachters herausfordern und erweitern. Tuzharovas Werke sind in öffentlichen Sammlungen, darunter die LVM und die NRW Bank Kunstsammlung, vertreten.